Wenn der kleine Paul in der Grundschule ein Bild malt, auf dem die Kuh ein bisschen mehr wie eine Kuh aussieht als auf den Bildern seiner Klassenkameraden, dann sagt die Lehrerin:
Der Paul, der hat Talent.
Das gleiche sagt man über die 14-jährige Tina, die erfolgreich Badminton spielt, und auch über den 36-jährigen Profi-Schlagzeuger Mario, der seit seiner Jugend musiziert.
Was sie alle verbindet: Sie können etwas gut.
Göttergleiche Genies?
Aber am Ende ist das so, weil die Eltern Paul mal gesagt haben, dass Kühe Hörner haben. Weil Tina vier Mal die Woche zum Training geht und Mario schon sechs Alben aufgenommen hat.
In all diesen Fällen stellte sich der Erfolg nicht ein, weil die drei Talent haben, sondern weil sie etwas gelernt haben, weil sie viel üben oder weil sie Routine haben.
Und mit dem Schreiben ist es ganz genauso.
Deine Begabung schlummert in dir – du musst sie nur wecken!
So etwas wie „Ich kann das nicht“ gibt es nicht. Es gibt nur ein „Ich kann es nicht auf Anhieb, deshalb bilde ich mir ein, dass ich etwas niemals können werde.“
Der Mensch kann zu Beginn seines Lebens nicht einmal laufen oder sprechen. Irgendwann aber kriegt das jeder hin. Manche Babys lernen es mit 14, andere mit 18 Monaten. Und diejenigen Erwachsenen, die erst mit 18 Monaten erste Schritte machten, stolpern nicht öfter als andere.
Das bedeutet:
Du bist am Ende nicht zwangsläufig schlechter, nur weil du später angefangen hast!
Jung anfangen hilft – muss aber nicht sein
Talent oder Begabung bedeutet: Man lernt Dinge schneller. Es heißt aber nicht unbedingt, dass man mit diesem „Talent“ zu einer Meisterschaft gelangt, die andere niemals erreichen werden. Sie schaffen es nur schneller.
Das soll dich jetzt natürlich nicht abschrecken. Denn laufen hast du schließlich auch problemlos gelernt, auch wenn du vielleicht kein „Talent“ dafür gehabt hast.
Es geht dabei lediglich um den Zeitaufwand, den du investieren musst, um eine Tätigkeit zu erlernen.
Der Mythos vom Buch als Geniestreich
Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es gerade zum Bücherschreiben eines gewissen Talents bedarf. Dabei ist Sprache doch nichts anderes als ein Werkzeug. Wir müssen nur lernen, es richtig zu benutzen.
Das liegt daran, dass uns das so nie beigebracht wird. Es gibt Bedienungsanleitungen für die Stichsäge, es gibt Trainer, die einem erklären, wie man den Ball in den Korb befördert, es gibt Lehrer, die einem die Akkorde auf der Gitarre zeigen. Aber für die Sprache gibt es keine Leitfäden?
Doch, auch für Sprache gibt es Anleitungen!
Geschichten erzählen ist Handwerk – und damit erlernbar
Ist dir aufgefallen, dass in Hollywoodfilmen immer wieder die gleichen Typen auftauchen? Die gleichen Schauplätze, die gleichen Gefahren? Irgendwann bekommst du ein Gespür dafür, wer der Bösewicht ist.
Das liegt daran, dass es kein Geheimnis ist, wie man Spannung aufbaut, sondern dass dem eine Formel zugrunde liegt. Manche Menschen beherrschen diese Technik intuitiv, andere müssen sie lernen. Genauso wie das Zeichnen, das Badminton Spielen oder das Schlagzeug Spielen. Aber erlernbar sind sie alle.
Nicht umsonst gibt es eine Teildisziplin der Literaturwissenschaft, die sich „Erzählforschung“ nennt. Aus diesen theoretischen Erkenntnissen lassen sich viele praktische Tipps ableiten, was einen guten Text ausmacht.
Du siehst: Es gibt sie, diese Anleitungen fürs Schreiben.
Die Magie Technik des Überzeugens!
Du kannst auch lernen, wie du Menschen für eine Sache begeisterst oder sie von etwas überzeugst. Wie das geht, hat schon Aristoteles im vierten vorchristlichen Jahrhundert in klaren Regeln formuliert. Die Redekunst nennen wir heute noch genauso, wie der griechische Philosoph sie damals genannt hat:
Rhetorik.
In seinem berühmten gleichnamigen Werk sagt er zum Beispiel, dass es für unterschiedliche Anlässe unterschiedliche Arten von Redengibt. Ein Buch, mit dem du andere von etwas überzeugen willst, ist interessanterweise ganz genauso aufgebaut.
Du kannst dich also fragen:
- Zu wem spreche/schreibe ich?
- Zu welchem Anlass spreche/schreibe ich?
Und ganz wichtig:
- Was will ich überhaupt sagen/schreiben?
Wenn du dir schon im Vorfeld gründlich Gedanken machst, wem du was wann sagen willst, brauchst du vor dem wie überhaupt keine Angst zu haben.
Nie mehr vor dem leeren weißen Blatt sitzen!
Du weißt nun nämlich, was du sagen willst. Du bist Experte auf deinem Gebiet. Du hast Erfahrung und Wissen oder du hast deine Geschichte.
Dir kann da keiner reinreden!
Du weißt dann auch, wem du deine Gedanken mitteilen wirst. Deshalb kannst du dich darauf einstellen, wie du zu erzählen hast. Und was von dir erwartet wird. Wenn du dich auf dein Publikum einlässt, ist es dir wohlgesonnen.
Und der Anlass, der ist bei deinem Buch klar:
Die Menschen kaufen dein Buch, weil du sie informieren sollst. Oder unterhalten. Wer dein Buch kauft, schenkt dir sein Vertrauen. Also nutze es und hau deine Ratgeber- und Schriftstellerfähigkeiten raus.
Das wollen die Käufer deines Buches!
Talent ist nur was für Faule
Wie du siehst, ist die ganze Sache mit dem Talent nur eine Ausrede für die, die sich nicht trauen, eine Sache in die Hand zu nehmen. Und für diejenigen, die Talent haben, eine Ausrede dafür, sich auf die faule Haut zu legen.
Talent ist nur eine bessere Startbedingung.
Das bedeutet: Man kann die „Wunderkinder“ auch einholen!
Das ist beim Schreiben nicht anders als beim Badmintonspielen. Da steckt keine Magie und kein Hexenwerk hinter, sondern etwas, das man genauso lernen kann wie malen, Schlagzeug oder Badminton.
Also: Lass dich anstiften!
Dein
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo lieber Marek,
ich frage mich, warum ich erst jetzt über deine Seite gestolpert bin. Schreiben ist aus meinem Leben nämlich nicht wegzudenken. 😉 Was Talent anbetrifft, kann ich dir voll und ganz zustimmen: Ich dachte immer: Na ja, ich hab jetzt nicht gar kein Talent im Schreiben, aber andere sind NOCH talentierter. Eine gute Freundin z.B. – meine Güte, kann die Schreiben! Ihre Worte sind so gut gewählt, die Figuren vollkommen durchdacht. Und doch habe ich ein Buch geschrieben und sie nur ein paar Aufsätze in der Schule. Da denke ich: Tja, da bringt das Talent ja auch nichts, wenn man es nicht auslebt. Und inzwischen – nach vielen Geschichten, angefangenen Büchern und Blogposts – würde ich sagen, dass wir gleich gut schreiben. Unterschiedlich vom Stil her, aber ich habe „aufgeholt“. Und das nur, weil ich drangeblieben bin und es mir Spaß gemacht hat. 🙂
Ganz liebe Grüße
Anna
Hallo Anna,
da bist du ja echt ein lebendes Beispiel für das, was ich da schreibe. 🙂
Und es freut mich echt, dass du dabei geblieben bist. Denn wenn man etwas liebt und es einem wirklich Spaß macht (sei es, wie bei uns, das Schreiben oder eine andere Leidenschaft), dann sollte man sich nicht davon abbringen lassen! An dir sieht man: Es lohnt sich 🙂
Dicke Grüße
Marek
Lieber Marek,
Ja, ja, ja, endlich nennt mal jemand das Kind beim Namen! Genau so ist es! Ich habe bislang noch niemanden kennengelernt, der keine kreativen Fähigkeiten besaß. Meist sind die nur unter alten Glaubensvorstellungen verschüttet und warten auf die Erlaubnis, endlich zum Vorschein zu kommen. Und den Rest kann man, wie du sagst, lernen.
Und außerdem: Was heißt überhaupt ‚gut schreiben‘? Da draußen gibt es so viele Autoren mit verschiedenen Stilen und sie sind alle erfolgreich. Irgendjemandem gefällt es immer und jemand anderes hat immer was dran auszusetzen. So ist das eben. 😉
Liebe Grüße,
Marie
Liebe Marie,
wo ich dir Recht gebe, ist eben, dass jeder Mensch eine gewisse Grundkreativität besitzt. Davon handelt ja auch mein Artikel.
Auch deine Frage „Was heißt überhaupt ‚gut schreiben‘?“ ist eine, die man sich immer wieder stellen sollte. Was man dabei aber nicht vergessen sollte, ist, dass es durchaus so etwas wie ’schlechtes Schreiben‘ gibt – es gibt einfach ein paar Dinge, die gehen nicht. Die zu vermeiden lässt sich aber – und da sind wir wieder ganz d’accord – lernen und dann kann man seinem Stil freien Lauf lassen. Wobei … naja, ein paar Kniffe und Trickse gibt es, die aus einem akzeptablen Text einen guten machen, Stil hin oder her 😉
Heavy Grüße
Marek